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Urteile des Bundesverfassungsgerichtes

1 BvR 2074/05 Das automatisierte Erfassen von KFZ-Kennzeichen ist unzulässig, wenn es anlasslos und flächendeckend erfolgt. Wird die Ermittlungsmethode zur Fahndung eingesetzt, hat der Abgleich mit den Fahndungsmustern unmittelbar zu erfolgen, nicht betroffenen Kennzeichen sind spurenlos zu löschen.

Auszug aus dem Urteil: "Es werde eine Infrastruktur geschaffen, die eine generelle Bewegungsüberwachung ermögliche, wie sie etwa in Großbritannien bereits praktiziert werde. Die Erfahrung zeige, dass eine einmal vorhandene Überwachungsstruktur immer intensiver genutzt werde. Der Kennzeichenabgleich sei ein Präzedenzfall für einen automatisierten Massenabgleich der Bevölkerung mit Fahndungsdatenbanken."

Eine Ermächtigung zur systematischen, automatisierten Kontrolle beliebiger Personen gibt es in der deutsche Rechtsordnung bisher nicht. Das Urteil hat richtungsweisenden Charakter für den Ausbau der Videoüberwachung generell, für die Nutzung der RFID-Technik in Ausweisen usw.


1 BvR 370/07 Die heimliche Online-Durchsuchung informationstechnischer Systeme ist zulässig. Es handelt sich dabei jedoch um einen tiefen Eingriff, der nur unter folgenden Bedingungen erfolgen darf:

  1. Es muss eine konkrete Gefaht für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen (Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Personen, existentielle Gefahren für die Gemeinschaft).
  2. Die Notwendigkeit der Maßnahme ist von einem unabhängigem Richter zu begründen.
  3. Der Kernbereich privater Lebensführung ist nicht anzutasten.

Die Richter wiesen in der Urteilbegründung darauf hin, dass die gewonnen Daten möglicherweise wenig beweiskräftig sein könnten, da den Ermittlern kein exklusiver Zugriff auf das informationstechnische System zur Verfügung steht.

In dem Urteil wird ein neues Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme postuliert. Zur Einschränkung dieses Grundrechts bedarf es klarer gesetzlicher Reglungen unter Beachtung der oben genannten Bedingungen.


2 BvR 2099/04 Gespeicherte Kommunikationsdaten über Teilnehmer an einem Kommunikationsvorgang sowie Art und Umstand der Kommunikation unterliegen wie die Inhalte selbst dem Schutz des Artikel 10 GG. Anderenfalls wäre der Schutz durch das Grundgesetz unvollständig, da auch die Verbindungsdaten einen erheblichen Aussagegehalt aufweisen. Dies gilt insbesondere, wenn die Daten außerhalb des Zugriffs der Betroffenen gespeichert werden.

Die Richter führten aus, dass die Grundrechte auch dem Schutz vor einem Einschüchterungseffekt dienen, der entstehen und zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung anderer Grundrechte führen kann, "wenn für den Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß." Gemäß diesem Urteil ist der Zugriff auf die im Rahmen der VDS gesammelten Daten nur nach $100 StPO zulässig. Aktuelle Gesetzesvorhaben sehen jedoch für Polizei und Nachrichtendienste auch die Möglichkeit vor, im Rahmen präventiver Ermittlungen auf diese Daten zuzugreifen.


1 BvR 2368/06 Die anlasslose Videoüberwachung öffentlicher Bereiche stellt einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht der informationellen Selbstbestimmung dar, insbesondere wenn das gewonnene Material dazu genutzt werden soll, belastende hoheitliche Maßnahmen gegen Personen vorzubereiten, die unerwünschtes Verhalten zeigen. Damit kann und soll die offene Videoüberwachung abschreckend wirken und das Verhalten der Betroffenen lenken. Die von der Stadt Regensburg vorgesehene Videoüberwachung eines öffentliches Platzes wurde für verfassungswidrig erklärt.

Es ist durchaus möglich, dass die Videoüberwachung öffentlicher Bereiche verfassungsgemäß sein kann, wenn das Gebot der Verhältmäßigkeit gewahrt wird, eine normenklare Ermächtigungsgrundlage und ein hinreichender Anlass besteht. Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine derartige Überwachung wurden im Rahmen des Urteils jedoch nicht näher bestimmt.


1 BvR 2378/98 Die akustische Wohnraumüberwachung, wie sie im Gesetz von 1998 verabschiedet wurde, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Dieser tiefe Eingriff auf das Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung darf nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten erfolgen. Dabei ist sicherzustellen, dass der Kernbereich privater Lebensführung nicht betrofen wird. Das Abhören nichtöffentlicher Gespräche hat zu unterbleiben, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser geschützte Kernbereich betroffen wird. Diese Forderung wurde u.a. aus Artikel 1 GG, die Unerletzkeit der Menschenwürde, abgeleietet, welche nicht durch Gesetze eingeschränkt werden kann.

Aus dem Sondervotum der Richterinnen R. Jaeger und C. Hohmann- Dennherdt stammt das folgende Zitat: "Wenn aber selbst die persönliche Intimsphäre ... kein Tabu mehr ist, vor dem das Sicherheitsbedürfnis Halt zu machen hat, stellt sich auch verfassungsrechtlich die Frage, ob das Menschenbild, das eine solche Vorgehensweise erzeugt, noch einer freiheitlich- rechtsstaatlichen Demokratie entspricht."

GPFWiki: Urteile des BVerfG (last edited 2008-03-17 10:02:21 by proxy1)


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